MEISTER, WO WOHNST DU?
KOMMT UND SEHT!
Jesus sagte zu ihnen: „Was wollt ihr?“
Sie sagten zu ihm: „Rabbì, wo wohnst Du?“
Er sagte zu ihnen: „Kommt und seht!“
Da gingen sie mit und sahen wo er wohnte,
und blieben jenen Tag bei ihm; (Joh 1, 38-39a)
Auch Du, suchst vielleicht Jesus und würdest Ihm gerne begegnen
Er steht an den Wegkreuzungen.
Er lädt Dich ein ihm zu folgen.
Wenn Du ihm zuhörst, wirst Du sehen wo er wohnt, wo er sich wünscht, dass Du mit ihm wohnst.
Der Herr erleuchtet immer, wenn wir mit offenen Augen schauen und uns vorbereiten ihn aufzunehmen.
Er hat die Kartäuserschwestern dazu aufgefordert ihm in die Wüste zu folgen. „Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt.“ (Mt 4,1)
Die Wüste dieser Schwestern besteht weder aus Sand noch Oasen. Es ist die Wüste der monastischen Einsamkeit, ein Ort der Stille, wo sie – mit den Mitmenschen der Welt in ihrem Herzen – in Gott verborgen ist.
Christus schenkt ihnen Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung. Er führt alle die sich für Ihn frei machen, zur Entdeckung seiner Liebe und Freude.
Wenn Du nicht weißt welches der Weg ist von dem der Herr möchte, dass Du ihn gehst, wünscht Du Dir vielleicht, mit Ihm über verschiedene Möglichkeiten nachzudenken... Darum schlagen wir Dir von unserer Seite aus, als Dokumentation und in Form eines Dialogs vor, ein wenig in das Leben der Kartäuserinnen einzutauchen.
Wenn eine junge Frau ernsthaft den Eintritt in die Kartause anstrebt...
Dann schreibt sie uns normalerweise.
An wen?
Vorzugsweise an die Mutter Priorin...
Und wer antwortet ihr?
Die Novizenmeisterin, welche ihr einen Brief sowie Informationsmaterial zuschickt und sie dazu einlädt mit einem kurzen «curriculum vitae» (Lebenslauf) die Phase der Berufungsklärung zu beginnen.
Und was kommt danach?
Wenn die Aspirantin bei ihrem Vorsatz bleibt, und wenn man anhand des curriculums an eine Berufung denken kann, wird man sie einladen ein paar Tage in der Kartause zu verbringen.
Wie wird dieser Aufenthalt aussehen?
Damit diese Erfahrung effizient sein kann ist es angebracht, dass die Aspirantin mit der Konventgemeinschaft zusammen lebt und deren Tagesablauf folgt.
Bringt diese Erfahrung Klarheit?
Nach einigen Tagen kann die Aspirantin sich annähernd eine Idee von dem Leben machen welches sie „umarmen“ möchte.
Wer kümmert sich während des Aufenthalts um die Aspirantin?
Die Novizenmeisterin kommt sie häufig besuchen, um sich mit ihr in vertrauensvoller Weise über die Berufung und alles was diese betrifft zu unterhalten.
Worin besteht genau das Ziel dieses Dialogs?
Darin, die Motivazionen dieser Berufung zu erläutern und zu vertiefen. Es kommt oft vor, dass die tieferen Beweggründe kaum mehr als eine Intuition sind und das klare Bewusstsein lediglich streifen.
Was wären denn keine gültigen Beweggründe um Kartäuserin zu werden?
Die Enttäuschungen des Lebens... die Sehnsucht nach einer ruhigen und problemlosen Existenz... im Allgemeinen alle Arten egoistischer Motive. In der Tat ist der einzig solide Beweggrund die Suche nach den ewigen Werten, die Suche, mehr oder weniger klar wahrgenommen, nach Gott: dass sie zumindest eine Vorahnung davon hat. Wir prüfen die Berufung mit höchster Vorsicht und Geduld, denn Gott kann auch auf krummen Zeilen gerade schreiben.
Mit welchem Alter wird man in der Kartause zugelassen?
Das Mindestalter für die Aufnahme liegt bei 20 Jahren; es ist jedoch empfehlenswert bis zum dreiundzwanzigsten oder vierundzwanzigsten Lebensjahr zu warten, um eine gewisse Lebenserfahrung erlangen zu können.
Bis zu welchem Alter?
Ohne eine Spezialerlaubnis des Generalkapitels oder des Reverendus Paters (man nennt so den Generaloberen des Ordens), können keine Personen welche älter als 35 Jahre alt sind aufgenommen werden.
Und wird eine solche Spezialerlaubnis gegeben?
Ja, wenn das Alter die 35 Jahre überschreitet kann eine Erlaubnis gewährt werden. Aber in diesem Alter ist die Anpassung an die Observanzen der Kartause schwieriger.
Und was verlangt die Kartause auf dem Gebiet der Gesundheit?
Bevor die Kandidatinnen zugelassen werden, raten die Statuten unseres Ordens an, kluge und mit unserer Lebensweise vertraute Ärzte zu Rate zu ziehen. Leichte psychische Ungleichgewichte, welche zunächst fast unbemerkt bleiben, finden in der Einsamkeit der Kartause einen Resonanzkörper welcher sie daran hindern würde bei uns ein normales Leben führen zu können. Heutzutage sind die Arztbesuche vor dem Eintritt ins Noviziat und vor der Profess Pflicht.
Im Hinblick auf die Charakterstärke, was wird hier vorausgesetzt?
Die Berufung zur Einsamkeit der Kartause verlangt einen starken Willen und ein gesundes Urteilsvermögen.
Also, ... nicht alle Charaktere haben dieselbe Eignung?
Manche sind von Natur aus geeigneter, aber was vor allem zählt ist der Ruf Gottes.
Zu guter letzt: welches ist die Hauptvoraussetzung um ins Kloster einzutreten?
Ein brennendes Verlangen nach Gott als dem Absoluten, und die Bereitschaft dieses Verlangen im Glauben zu verwirklichen.
Was für eine besondere Aufgabe hat auf diesem Weg die Novizenmeisterin?
Die Novizin während ihrer Ausbildung zu begleiten, ihr in ihren Schwierigkeiten und in den Versuchungen, welche gewöhnlich den Jüngern Christi in der Wüste auflauern, zu helfen.
Folgt man in der Kartause einer speziellen Gebetsmethode?
Normalerweise beginnt die Kartäusernovizin ihre Lehre auf dem Weg der ‘Lectio divina’. Diese, in den Klöstern traditionelle Gebetsmethode, wie sie von Guigo II dem Kartäuser beschrieben worden ist besteht darin, bedächtig ein Stück der Heiligen Schrift zu lesen und es langsam ‘wiederzukäuen‘ (lat. ruminare). Daraufhin nützt man in der Stille die Gefühle der Dankbarkeit, des Lobes, der Zerknirschung, welche der Text in unserem Innern hat hervorsprudeln lassen, um sie in ein an den Herrn gerichtetes Gebet zu verwandeln. Wenn dieser Text uns nichts Besonderes sagt, oder wenn Zerstreuung aufkommt, nimmt man die Lektüre mit einem anderen Stück, welches sich im Herzen verwurzelt, wieder auf. Diese Gebetsmethode ist sehr einfach und reduziert vor allem die Zerstreuungen. Das ganze Ambiente der Kartause bereitet die Kartäuserin dazu, sich vom Gebet in Besitz nehmen zu lassen.
Sicher bedarf es Zeit, eine gewisse Lehrzeit welche sehr von der persönlichen Gnade und von den Neigungen einer jeden abhängt. Aber das dringt in die Novizin auf natürliche Weise ein, da sie gewöhnlich in der Gegenwart Gottes lebt, dank des ständigen Kontaktes mit dem Wort Gottes im Uffizium, dem Stundengebet, und in den Momenten welche der ‘Lectio divina’ geweiht sind.
Messen sie dieser Ausbildung im Gebetsleben eine große Wichtigkeit bei?
Es kann nicht anders sein. Es ist wichtig, dass das Gebet der Novizin zu einem einfachen und liebevollen Blick auf den Herrn wird, auch wenn es sich um die ersten Grade des Gebets ‘des einfachen Schauens’ oder ‘der Ruhe’ handelt.
Ist das nicht zuviel verlangt von einer Novizin?
Wenn eine Novizin die Gnade der Kontemplativen Erfahrung empfängt, so simpel und kurz diese sein mag, so ist sie schon darauf vorbereitet die Momente der Entmutigung oder der geistlichen Dürre, sowie die Krisen welche man im allgemeinen, besonders während des Noviziats, durchlebt, zu überwinden. Die Junge Novizin befreit sich Schritt für Schritt von der Tyrannei der Gefühle und Leidenschaften, dem starken Ruf der Welt, von der sie sich zwar ehrlich getrennt hat als sie in die Kartause eingetreten ist, aber welche sie dort verfolgt indem sie sich in ihrem Inneren versteckt. Sie beherrscht auch zunehmend die Zerstreuung der Gefühle, die Oberflächlichkeit, die Unbeständigkeit, und ihr ganzes Leben wird unmerklich von der Nähe Gottes durchdrungen. Nun werden ihr die Sammlung und die innere Stille, welche ihren Geist erfüllt, die Gefühle der Anbetung, der Dankbarkeit und der Freude gleichsam zur Natur. Wenn dieser Pfeiler des kontemplativen Gebets fehlen würde, so wäre ihre Berufung allezeit der Entmutigung, dem hin und her flüchtiger Gefühle, der Mühsal, der Dürre, dem Mangel an Interesse fürs Geistliche ausgesetzt: Das sind in der Hauptzahl der Fälle die Ursachen welche am Beginn des Verlassens des monastischen Lebens stehen.
Nehmen wir einmal an, dass eine Aspirantin für das Kartäuserinnenleben, dem Urteil der Oberen der Kartause nach, Anzeichen für eine authentische Berufung hat. Was macht sie dann?
Sie wir als Postulantin zugelassen.
Was ist das, ein Postulat?
Das ist die Probezeit welche auf das Noviziat vorbereitet.
Und wie lange dauert die?
Zwischen sechs und zwölf Monaten.
Wie sieht das Leben einer Postulantin aus?
Es ist dem der Schwestern sehr ähnlich.
In allem?
Man gewährt ihr gewisse Erleichterungen damit die Anpassung an unser Leben stufenweise geschieht.
Wie ist sie gekleidet?
Sie bleibt in zivil, aber in der Konventgemeinschaft trägt sie einen kleinen Schleier und einen schwarzen Umhang.
Beginnt das Postulat mit einer besonderen Zeremonie?
Ja. Aber sehr einfach. Sie besteht darin, dass die Novizenmeisterin ihr zum Zeichen der Trennung von der Welt und dem Eintritt in die Gemeinschaft den Schleier sowie den Umhang überreicht.
Womit beschäftigt sich die Postulantin?
Während der Zeit die dem Gebet oder der Arbeit gewidmet ist, beginnt sie ihre Entwicklung im Geist der Kartause. Sie wird in die liturgischen Zeremonien eingeführt. Es gibt auch Momente der Entspannung, denn «wenn der Bogen ständig gespannt ist, verliert er an Spannkraft und wird für seinen Zweck weniger brauchbar...».
Lernt sie auch Latein?
Ja, Stück für Stück, soviel ihr davon nötig ist um ohne große Anstrengung den liturgischen Büchern folgen zu können.
Gehen wir davon aus, dass die Kandidatin sich während der im Postulat verbrachten Monate zufriedenstellend verhalten hat...
Wenn die Konventgemeinschaft eine positive Abstimmung trifft, wird sie zum Noviziat zugelassen.
Wie lange dauert das Noviziat?
Zwei Jahre.
Was macht die Novizin während dieser Zeit?
Sie bildet sich im geistlichen Leben sowie im Studium der Liturgie und der Kartäuserobservanzen aus. Sie lernt in der Sammlung zu Arbeiten. Sie beginnt auch einen Zyklus von Studien welche dazu dienen ihre Ausbildung in der Kirchenlehre sowie im monastischen Bereich zu vervollständigen.
Und wo macht sie diese Studien?
Aufgrund der Ansprüche der eremitischen Berufung der Kartause werden die Studien in der Einsamkeit der Zelle gemacht.
Aber... wie?
In regelmäßigen Abständen legen die Novizinnen Rechenschaft über ihre Studien ab und fragen die Schwester, welche damit betraut ist sie zu leiten, nach den nötigen Erklärungen, um die Schwierigkeiten auf welche sie gestoßen ist, zu beseitigen. Man kann ebenso auf Fernkurse für Theologie oder das Bibelstudium zurückgreifen.
Wie sind die Novizinnen gekleidet?
Sie tragen denselben Habit wie die Schwestern welche bereits die Profess gemacht haben, aber die ‘Kukulle’ (Obergewand) ist kurz und hat keine Bänder. Der Schleier ist weiß.
Was ist das, eine ‘Kukulle’?
Das ist ein Überbleibsel des Obergewandes welches die alten Hirten der Chartreuse trugen. Sie besteht aus Vorder- und Rückenteil (zwei schulterbreite Stoffbahnen) welche von zwei Bändern seitlich zusammengehalten werden.
Die zwei Jahre sind vergangen. Die Konventgemeinschaft hat ihr positives Votum abgegeben. Was wird nun aus der Novizin?
Die Novizin wird zur zeitlichen Profess zugelassen.
Warum ‘zeitlich’?
Weil die Novizin ihre Gelübde der Beständigkeit, des Gehorsams und der Bekehrung des Lebens zunächst nur für drei Jahre ablegt.
Welches sind die Auswirkungen der zeitlichen Profess?
Die ‘Jungprofessin’ ist nun definitiv in die Register der Kartause eingeschrieben in welcher sie die Profess abgelegt hat. Die Jahre ihres Alters im Orden werden von dieser ersten Profess an gezählt.
Und das Noviziat ist beendet?
Die Jungprofessin bleibt weiterhin Mitglied des Noviziats. Die Novizenmeisterin begleitet sie auch weiterhin auf dem Weg ihrer geistlichen und menschlichen Ausbildung. Im Verlauf dieser drei Jahre vertieft sie ihre geistliche und monastische Ausbildung welche sie im Noviziat begonnen hat.
Gut... Jetzt sind die drei Jahre abgelaufen...
Die Jungprofessin erneuert ihre Gelübde für zwei Jahre. Sie lebt nun zusammen mit den Professen mit feierlichen Gelübden und erfährt somit ganzheitlich das Leben, welches sie endgültig zu ergreifen gedenkt.
Setzt sie ihre Studien fort?
Das letzte Jahr vor der feierlichen Profess unterbricht man gewöhnlich die Studien, um sich tiefer dem Gebet und der Einsamkeit der Zelle zu weihen.
Acht Jahre der Prüfung sind schon vergangen...
Endlich ist die lang ersehnte Stunde der endgültigen Konsekration gekommen.
Das ist ein wichtiger Tag für eine Kartäuserschwester, nicht wahr?
Ganz gewiss! Das ist das Ereignis durch welches die Kirche den Ruf Gottes bestätigt, indem sie die Ganzhingabe entgegennimmt in welcher die Jungprofessin sich selbst Gott darbringt.
Was verspricht sie da?
Für immer, einzig zum Lobe Gottes zu leben. Die feierliche Profess ist die Frucht einer langen Reihe von Gnaden auf welche die Professin großzügig geantwortet hat indem sie eine „alltägliche“ Treue gelebt hat.
Ist die feierliche Profess ein Abschluss?
Nein. Im Gegenteil, sie ist vielmehr ein Anfang. Die Kartäuserschwester hat sich mit einem sehr ernsten Akt Gott geweiht. Jetzt muß sie Tag für Tag diese Weihe leben.
Was für Gefühle erfüllen die Seele der Kartäuserschwester am Tag ihrer feierlichen Profess?
Ich denke, dass es dieselben sind welche der Heilige Bruno in lyrischer Form im Brief an die Brüder der Chartreuse ausgedrückt hat: «Freut Euch also, meine teuersten Brüder, über Euer glückliches Los und wegen der reichen Fülle der göttlichen Gnade, die über Euch ausgegossen ist.»
Was ist das, eine Jungfrauenweihe?
Nach der feierlichen Profess können die Schwestern, welche es wünschen, die Jungfrauenweihe empfangen. Der bräutliche Aspekt des Ritus der Jungfrauenweihe bestärkt die Schwester in einer Gabe der völligen Zugehörigkeit zu Gott allein. Der bräutliche Aspekt des Ritus der Jungfrauenweihe bestärkt die Schwester in der völligen Hingabe und der alleinigen Zugehörigkeit zu Gott.
Bis jetzt haben wir über die Postulantinnen, die Novizinnen und die Professen im Allgemeinen gesprochen, aber ist es nicht so, dass es verschiedene Lebensformen innerhalb des Kartäusercharismas gibt?
Ja, gewiss. Als der Heilige Bruno sich in der Einöde der Kartause zusammen mit sechs Kameraden zurückgezogen hat, lebten vier von ihnen beständig in der Zelle, die anderen hingegen widmeten sich zudem den Arbeiten außerhalb der Zelle. Das waren die ersten ‘Konversbrüder’ des Ordens. Auf ähnliche Weise gibt es bei den Schwestern verschiedene Möglichkeiten Gott sein Leben in der Einsamkeit der Kartause zu weihen.
Die Chorschwestern leben in ihren Einsiedeleien den Großteil ihres Tages, damit beschäftigt zu beten, zu studieren und zu arbeiten.
Die Konversschwestern führen ein Leben authentischer Einsamkeit und widmen außer dem Gebet und dem Studium, einen Teil ihres Tages den Arbeiten im Kloster außerhalb ihrer Einsiedelei.
Die Chorschwestern und die Konversschwestern teilen sich, mit sich ergänzenden Formen, die Verantwortungen der Mission, welche allen Kartäusergemeinschaften auferliegt: im Schoße der Kirche eine Familie von Einsiedlern zu sein.
Hat es da große Unterschiede?
Nein, denn nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurden alle Unterschiede die nicht Teil der Essenz der Berufung waren (die für alle gleich ist) abgeschafft. In der Tat bekommen heute alle dieselbe Ausbildung
Worin besteht die Arbeit in der Kartause?
Man muss zunächst unterstreichen, dass die Arbeit eine monastische Arbeit ist. Die Kartäuserschwestern sind keine Angestellten deren Aufgabe in erster Linie darin besteht das Kloster in Funktion zu halten. Wenn wir sagen, dass ihre Arbeit eine monastische Arbeit ist, so wollen wir damit ausdrücken, dass es sich um einen religiösen Akt handelt, welcher eine Hilfe für das Voranschreiten im praktischen Tugendleben ist und der sie Gott näher bringt.
Wie können sie inmitten der Arbeit den Geist des Gebets und der Einsamkeit bewahren?
Die Statuten des Ordens raten dazu, während der Arbeit seine Zuflucht zu kurzen Stossgebeten zu nehmen und auch manchmal die Arbeit einen kurzen Augenblick zu unterbrechen um zu beten.
Welche Arbeiten sind in der Kartause nicht zugelassen?
Diejenigen welche nicht dem monastischen Leben entsprechen.
Zum Beispiel...
Alles was ein Verlassen des Klosters erfordern würde.
Ist es wichtig während der Arbeit das Schweigen zu beachten?
Ja, es ist sehr wichtig immer das Stillschweigen zu beachten. Unsere Statuten sagen: «Die Geistessammlung wird die Schwester zur Kontemplation führen.»
Was für einen Platz nimmt die Arbeit im Leben der Chorschwester ein?
Jeden Tag nimmt sie sich einer Aufgabe im Rahmen der Bedürfnisse der Gemeinschaft an: Wäscherei und Schneiderei, Sakristei, Buchbinderei, Sekretariat etc. alle Arten der Arbeit welche in der Zelle verrichtet werden darüber wachend, dass der Geist frei und die innere Stille gewahrt bleibt.
Im Unterschied zu religiösen Orden des apostolischen Lebens welche sich der Verkündigung, der Schulbildung, der Krankenpflege etc. verschrieben haben, worin besteht die Aufgabe des Kartäuserordens?
Unsere Mission in der Kirche ist das, was man traditionell «das kontemplative Leben» nennt.
Gut, aber worin besteht das kontemplative Leben einer Kartäuserschwester?
Es ist ein Mysterium, ein Geheimnis Gottes. Sie hat in gewisser Weise Anteil an der Größe und Unergründlichkeit Gottes. Jenseits der Dinge dieser Welt, jenseits auch jedes menschlichen Ideals, jenseits der individuellen Vollkommenheit, sucht die Kartäuserschwester Gott. Sie lebt nur für Gott. Sie weiht ihr Leben, Körper und Seele, dem Lob Gottes. Das ist das Geheimnis des rein kontemplativen Lebens: einzig für Gott zu leben, nichts anderes als nur Gott wollen, nichts anderes als nur Gott wissen, nichts anderes besitzen als Gott indem man sein Herz von ihm weiten lässt bis es das ganze Universum zu umfangen vermag. Wer den Sinn für Gott als das höchste Gut hat, der versteht den Wert dieses Lebens der totalen Konsekration welches das Leben der Kartäuserin ist.
Das ist ein schönes Ideal...
Ja, aber dieses schöne Ideal erfordert ein besonderes Klima um sich entfalten zu können.
Und was ist das für ein Klima?
Unsere Kartäusergebräuche, unsere Observanzen, formen dieses Klima und enthüllen somit den Grund ihrer Existenz. Würde man sie isoliert betrachten, ohne Bezug auf ihr Ziel hin, so blieben sie unverständlich. Man würde nicht umhinkommen zu sagen, dass es sich um eine Sammlung merkwürdiger Praktiken handelt.
Sehen wir sie uns näher an...
Welches ist das Wort was man in der Kartause am häufigsten wiederholt?
Wenn man sich die Mühe machen wollte den meistgebrauchten Ausdruck in unseren Statuten zu suchen, so wäre das ohne Zweifel: «Einsamkeit und Schweigen».
Ist das so was wie ein Slogan der ihre Spiritualität wiedergibt?
Die Spiritualität der Kartause ist die Spiritualität der Wüste.
Handelt es sich um eine Tradition?
Ja, wenn man unseren Statuten glauben darf welche sagen: «Unsere Ordensväter sind einem Licht aus dem Osten gefolgt. Jenem der alten Mönche, deren Herzen noch in lebendiger Erinnerung an das vergossene Blut des Herrn glühten, welche das Leben in der Einsamkeit und die Armut im Geiste gelobten und die Wüste bevölkerten.»
Ist das eine ihnen eigene Spiritualtiät oder hat sie ihre Wurzeln wo anders?
Sie entstammt der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche
Sie gestehen ein, dass die Einsamkeit nur ein Mittel ist; zugleich pflegen sie aber einen regelrechten Kult ihr gegenüber: warum?
Weil, wie das unsere Statuten gut zum Ausdruck bringen indem sie Dom Guigo zitieren, den vierten Nachfolger des Hl. Bruno in der Einsiedelei der Kartause: die Einsamkeit ist das privilegierte Mittel um in der Vereinigung mit Gott zu leben: «Wir dürfen ein Geheimnis, das unsere ganze Aufmerksamkeit verdient, nicht stillschweigend übergehen. Der Herr und Erlöser des Menschengeschlechtes wollte nämlich selbst das lebendige und erste Vorbild unseres Ordens sein, als er allein in der Wüste lebte und sich dabei dem Gebet und den Übungen des inneren Lebens widmete (...) Die Freude am Psalmensingen, die Lust an den Lesungen, die Glut der Gebete, die Tiefe der Betrachtungen, die Verzückung in der Beschauung, das Taufbad der Tränen – durch nichts wird all das mehr gefördert als durch die Einsamkeit.»
Diese Wichtigkeit die man in der Kartause der Einsamkeit beimisst hat also Auswirkungen auf die juridische Struktur des Ordens?
Die gesamte Gesetzgebung des Ordens strebt danach, diese Einsamkeit und dieses Schweigen zu erhalten und zu begünstigen, welche die markantesten Züge der Spiritualität der Wüste sowie der Kartäuserspiritualität sind.
Können sie mir anhand der Statuten ein wenig die Einsamkeit der Kartäuser erläutern?
Die Statuten untersagen zum Beispiel der Kartäuserin jegliche Aktivität apostolischer Art, sei es auf dem gebiet persönlicher Kontakte, sei es durch Schriften, wie Buchveröffentlichungen oder Seelenführung über Korrespondenz, alles Dinge die in sich exzellent sind, aber die nicht auf der Linie der eremitischen Berufung liegen.
Riskiert eine solche Steifheit nicht die katholische Kirche von heute zu schockieren?
Ganz und gar nicht. Im Gegenteil, das ist genau das was sich die Kirche heutzutage von der Kartause erwartet.
Das II Vatikanische Konzil hat klar zum Ausdruck gebracht dass die Pflicht der Kontemplativen darin besteht: «Die gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Institute, deren Mitglieder in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind, nehmen – mag die Notwendigkeit zum tätigen Apostolat noch so sehr drängen – im mystischen Leib Christi, dessen „Glieder nicht alle den gleichen Dienst verrichten“ (Röm 12,4), immer eine hervorragende Stelle ein.» (Perfectae caritatis 7). Schweigen: das könnte das Wort sein dessen die Welt von heute am meisten bedarf.
Sie, die Kartäuserschwestern, schützen Ihre kontemplative Berufung durch die Einsamkeit, aber wie kann man die Invasion der sozialen Kommunikationsmittel vermeiden?
Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen verzichten wir in der Kartause auf Radio und Fernsehen und die Statuten ermahnen zu großer Besonnenheit beim Lesen profaner Lektüre.
Sie situieren sich also praktisch als Fremde der Welt von gegenüber?
Unsere Statuten sprechen von der Notwendigkeit «sich selber von den Nachrichten der Welt fernzuhalten.» Das ist etwas Grundlegendes für das Leben in Einsamkeit. Aber die Mutter Priorin ist damit betraut, ihren Schwestern die Nachrichten aus der Welt mitzuteilen, wenn es unvernünftig wäre sie nicht zu kennen, damit die Gemeinschaft dem Herrn die Bedürfnisse aller Menschen vorbringen kann.
Riskiert diese harte und einschneidende Observanz nicht das geistliche Ideal der Kartause zu verformen?
Unsere gesamte Gesetzgebung, betreffend der Einsamkeit und des Schweigens, stellt den Buchstaben der Observanz dar. In ihr spiegelt sich das für unsere eremitische Berufung günstige Klima wieder. Aber wir wissen genau, dass das nicht alles und nicht das Eigentliche ist.
Können sie in einem Wort zusammenfassen worin das Essenzielle für eine Kartäuserin besteht?
Sich in Gott zu verlieben... bis sich die Einsamkeit in einen privilegierten Ort verwandelt, an dem man die Begegnung und die Vertraulichkeit mit dem Herrn leben kann.
Ist die Kartäuserschwester, welche diesen Prinzipien treu ist, glücklich?
Auf jeden Fall, denn die Kartäuserin die ihrer Berufung treu ist begreift, dass Gott sie ruft um ihr in der Einsamkeit und im Schweigen zu begegnen. Eine Einsamkeit und ein Schweigen, welche sich immer tiefer in ihrem Geist verwurzeln.
Einsamkeit und Schweigen, immer tiefer?
Ja. Die äußere Einsamkeit schafft ein günstiges Umfeld, notwendig für die Entwicklung einer vollkommeneren Einsamkeit: die innere Einsamkeit.
Worin besteht die innere Einsamkeit?
Sie besteht in einem geistlichen Prozess durch welchen das Gedächtnis, die Intelligenz und der Wille sich Stück für Stück vom Geschmack an den vergänglichen Dingen lösen. An ihrer Stelle beginnt Gott als das einzige Sein wahrgenommen zu werden, das Einzige das die tiefen des Geistes zu sättigen vermag. Die Kartäuserschwester wird nur dann eine echte Kontemplative, wenn sie voller Bewunderung entdeckt, dass nur Gott sie wirklich erfüllen kann. Diese Entdeckung bringt ein Gefühl von so großer innerer Freiheit und Freude mit sich, dass es schwierig ist es in Worten wiederzugeben.
Ist das eine typische und exklusive Erfahrung der Kartause?
Es handelt sich hier um den geistlichen Prozeß, welchen die alten Wüstenväter und –mütter, die das eremitische oder zönobitische Leben in Ägypten und Palestina eingeführt haben, beschreiben: Antonios, Pachomios, Evagrios, Hilarion und viele andere.
Und wie leben sie das in der Praxis?
Ich denke, dass jeglicher geistliche Fortschritt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen lässt, einem Wort das dem Hl. Bruno und den ersten Kartäusern sehr lieb war: ‘quies’, welches den Zustand der Herzensruhe bezeichnet.
Wenn ich das richtig verstehe, dann heißt das, dass das ganze Ambient der Kartause darauf abzielt...
Ein Umfeld der Einsamkeit und der Stille zu sein, welche den belastenden Lärm der irdischen Wünsche und Bilder eliminiert. Es handelt sich um eine ruhige Wachsamkeit des Geistes in Gott, begünstigt durch das Gebet und die langsame Lesung. Man erreicht somit diese ‘quies’, oder Ruhe der Seele in Gott. Ruhe in der Einfachheit, vergöttlicht und freudig, welche der Kartäuserin in gewisser Weise die Schönheit des göttlichen Lebens zum Greifen nahe bringt.
Sie haben den Ruf große Büßer zu sein.
Das Thema der Buße in der Kartause ist, wie so viele andere, der Nährboden für falsche Vorstellungen. Für uns sind die Bußübungen einfache «Mittel welche dazu dienen uns von der Begierde des Fleisches zu befreien, um so freudiger hinter dem Herrn herzugehen», wie unsere Statuten sagen.
Aber sie wissen, dass heutzutage die individuelle Buße nicht mehr als ein indiskutables Mittel angesehen wird... wir leben in einer Zeit in der man das Verständnis und den Dialog privilegiert...
Ja, die Buße, und im allgemeinen alles was ein gewisses Opfer und Selbstverleugnung verlangt, steht in schlechtem Ruf und man spricht nur allzu leichtfertig davon ohne wirklich zu wissen um was es geht. Hingegen ist es für die ganze Welt verständlich, dass ein Sportler sich vieler guter Dinge enthält und seinen Körper einem rauen Training unterzieht.
Sie, als Kartäuserschwestern, möchten nach dem ‘neuen Menschen’ leben, wie die Schrift sagt. Können sie mir genauer sagen welches die grundlegenden Bußübungen sind?
Das sind: Die Trennung von der Welt, von der Familie, den Freunden, der Verzicht auf Neuigkeiten, Reisen... Das dürften die Entbehrungen sein, welche den Novizinnen am schwersten fallen. Ferner könnte man die Unterbrechung der Nachtruhe nennen, die Einfachheit der Kleidung, die extreme Schlichtheit der Ernährungsweise...
Der Ernährungsweise?
Wir im Kloster essen niemals Fleisch. Das Frühstück besteht aus einem warmen Getränk und einem Stück Brot. Unser Mittagessen setzt sich aus Gemüse, Fisch oder Eiern und Dessert zusammen. An Tagen an welchen nicht gefastet wird besteht das Abendessen aus einer Suppe, einem Ei oder Käse und Obst.
Und an Fastentagen?...
Das Ordensfasten beginnt am 15. September und dauert bis Ostern. Während dieser Zeit besteht das Abendessen aus Suppe oder einem Salat, Brot und Obst.
Haben sie ein spezielles Fasten am Freitag?
Generell halten wir am Freitag Abstinenz. An diesem Tag essen wir weder Eier, noch Fisch, und auch keine Milchprodukte. Darüber hinaus begnügen wir uns am Aschermittwoch und am Karfreitag mit Wasser und Brot.
Sind die Aspirantinnen und Novizinnen verpflichtet all diese Fastenvorschriften einzuhalten?
Die Anpassung an unsere Lebensweise erfordert ein wenig Zeit und auch Vorsicht. Deswegen gewöhnen sie sich schrittweise an unsere Gebräuche, unter der wachsamen Aufsicht der Novizenmeisterin welche sie beratschlagt.
Und die Kranken?
Unsere Statuten sagen: «Stellt aber jemand in einem bestimmten Fall oder im Laufe der Zeit fest, dass eine unserer Observanzen seine Kräfte übersteigt und dadurch sein Geist in der Nachfolge Christi mehr gehemmt als angespornt wird, so lege sie zusammen mit dem Prior mit kindlichem Herzen das richtige Maß seiner Abtötung wenigstens für eine gewisse Zeit fest.»
Ist es erlaubt zu rauchen?
Um des Geistes der Abtötung und der Armut willen haben wir beschlossen, auf den Gebrauch von Tabak zu verzichten.
Fassen wir also zusammen...
All das stellt die herausragendsten Aspekte der kartusianischen Askese dar. Der Orden hält sie für ausreichend und hat mit Klugheit unumstößlich festgelegt, dass «keine Bußübungen, die in den Statuten nicht gelehrt werden, ohne Wissen und Zustimmung der Priorin vornehmen darf.» Die Kartause hat vom Heiligen Bruno seine Mäßigung und sein Gleichgewicht geerbt. Im Brief an seinen Freund Rudolf, besingt der Heilige mit Enthusiasmus die Schönheit der Landschaft Calabriens und um der eventuellen Verwunderung seines Freundes angesichts einer solchen, weniger geistlichen, Überschwänglichkeit zu begegnen, erklärt er: «Dennoch gewährt ein solcher Anblick dem allzu hinfälligen Geist Ruhe und Erholung, wenn er ermüdet ist durch die strenge Regel und durch die Beschäftigung mit geistlichen Dingen. Wenn der Bogen ständig gespannt ist, verliert er an Spannkraft und wird für seinen Zweck weniger brauchbar».
Um mit diesem Thema abzuschließen noch eine Frage: welches sind die Hauptzüge des Geistes der Kartause?
Die Vereinigung mit Gott, das Streben nach dem immerwährenden Gebet in der Einsamkeit und im Schweigen, die «quies» (kontemplative Ruhe), die Einfachheit des Lebens, die Strenge, das sind die Hauptzüge des kartusianischen Geistes, und sie überschneiden sich mit den Grundlinien der Spiritualität der Wüste.
Alles was wir bis hierher gesagt haben vermittelt den Eindruck, dass das Hauptmerkmal des Lebens in der Kartause darin besteht, in der Einsamkeit und im Schweigen als eine echte Gemeinschaft von Einsiedlern für Gott zu leben. Ich habe irgendwo gelesen, dass von allen monastischen Orden, zumindest im Okzident, sie diejenigen sind, welche das eremitische Leben in der reinsten Form leben.
Das ist möglich, denn das ist das klarste Kennzeichen unserer Identität und unser spezifisches Charisma.
Ja, aber wirft dieses Charisma der Einsamkeit nicht einen Schatten auf so wichtige und so evangelische Aspekte wie die Nächstenliebe und den Dienst am Nächsten? Der Heilige Basilius, der Vater des östlichen Mönchstums sagt: «Wie kann ich die Füße meiner Brüder waschen wenn ich eingeschlossen in einer Einsiedelei lebe?»
Man darf nicht vergessen, dass in der Kirche, wie uns der Heilige Paulus sagt, nicht alle Glieder dieselbe Funktion haben. «Das Leben der Kartäuserinnen ist dem Lob Gottes und der Fürbitte für alle Menschen geweiht.»
Will sagen...
Obwohl unser spezifisches Charisma weder darin besteht die Kranken zu versorgen, noch zu predigen und auch nicht darin zu unterrichten, ist die Kartause keine rein eremitische Institution. Das Leben in der Einsamkeit ist ausgeglichen durch ein wichtiges Element gemeinschaftlichen Lebens, welches ebenso essenziell Teil unseres Charismas ist.
Ach ja?
Ja, und das bereits seit den Anfängen des Ordens. Trotz der großen Anziehungskraft, welche die Wüste auf unseren Vater den Heiligen Bruno ausgeübt hat, ist sicher, dass er kein Einsiedler im traditionellen Stil war, wie es hingegen die Eremiten Paul, Antonius und Benedikt waren: diese begannen ihr monastisches Leben indem sie völlig allein in der Wüste lebten. Den Heiligen Bruno hingegen sieht man niemals alleine: er ist immer von einer Gruppe von Freunden begleitet, welche sein Ideal teilen.
Das ist ein interessantes Detail...
Für uns ist es wichtig als Eremiten in unseren Zellen zu leben, aber zu gleicher Zeit eine im Herzen des Klosters vereinte Familie zu bilden. In den vergangenen Jahrhunderten hat man mit dem Wort ‘Familie’ die Kartäusergemeinschaften bezeichnet, das ergibt sich aus der sehr reduzierten Zahl ihrer Mitglieder; unsere Statuten von heute tun dasselbe.
Und wie lebt man in der Praxis diesen ‘familiären’ Aspekt?
Die Liturgie ist das Fundament unseres Familienlebens. «Wenn wir uns zur Feier der Eucharistie versammeln, findet die Einheit der Kartäuserfamilie im gegenwärtigen und betenden Christus ihre Vollendung.» Wir können dasselbe von den Uffizien der Mattutin und der Vesper sagen, zu welchen wir uns jeden Tag in der Kirche versammeln. An Sonntagen und Hochfesten essen wir gemeinsam im Refektorium zu Mittag. An diesen Tagen kommen wir öfters zusammen und haben Gelegenheit Trost aus dem Familienleben zu schöpfen. Darüber hinaus versammeln wir uns einmal wöchentlich zu einem gemeinsamen Spaziergang welchen wir ‘Spatiamentum’ nennen. Das alles zusammen verleiht dem kartusianischen Einsiedlerleben einen familiären, menschlichen und evangelischen Charakter welcher uns hilft ein gesundes Gleichgewicht zu behalten.
Sie haben oft von der ‘Zelle’ gesprochen als ob es sich um etwas spezifisch kartusianisches handelt. Wie ist sie angelegt, diese ‘Zelle‘?
Ja, in einer Kartause ist die ‘Zelle‘ etwas sehr charakteristisches. Im Wesentlichen setzen sich alle Kartäuserzellen aus denselben Elementen zusammen, aber ihre innere Anordnung kann variieren.
Können sie mir diese Zelle kurz beschreiben?
Das Wort ‘Zelle’ lässt spontan an einen einzigen Raum denken. In Wirklichkeit ist die Kartäuserzelle ein kleines Häuschen auf ein, oder zwei Etagen. Zeichen der Einheit: jedes einzelne Haus ist mit seinen Nachbarhäusern durch einen gemeinsamen Kreuzgang (langer, in der Regel quadratisch angelegter Korridor) verbunden.
Am Eingang jeder Zelle befinden sich ein Kruzifix und eine Marienstatue. Die Kartäuserin betet dort jedes Mal wenn sie die Zelle betritt ein ‘Ave Maria’.
Im Hauptteil der Zelle betet und liest, isst und schläft die Kartäuserin. Dieser Raum, (‘Cubiculum’ genannt) ist mit einem Oratorium, einen Tisch, einem Regal, einem Refektorium und einem Bett eingerichtet. Eine Tür führt in eine kleine Nasszelle mit Toilette.
Der andere Teil ist ein Arbeitszimmer in welchem die Schwester ihre verschiedenen Arbeiten verrichtet und das dazu nötige Material aufbewahrt.
Das ist die Kartäuserzelle: darin verbringt die Kartäuserschwester ihre Tage, ihre Jahre in der Stille allein mit Gott.
Sie nimmt ihre Mahlzeiten in der Einsamkeit ein, außer an Sonn- und Feiertagen an denen sie zusammen mit der Gemeinschaft im Refektorium zu Mittag isst.
Die Pflege des Gartens welchen jede nach ihrem Geschmack und den Bedürfnissen der Gemeinschaft bebaut, dient sowohl der körperlichen Bewegung als auch der geistlichen Entspannung.
Die Zelle: ist das der Himmel oder das Fegefeuer?
Ich finde, dass das wertvollste Geschenk unserer Berufung darin besteht von Gott diese Einladung erhalten zu haben: allein zu leben, für Gott. In der Tat haben die Mönche aller Zeiten die Erfahrung der Schönheit des Lebens in der Zelle zum Ausdruck gebracht und sie als den Ort besungen, wo die Tage in inniger Gemeinschaft mit Gott verstreichen. Unsere Statuten schließen sich an diese große monastische Tradition an, indem sie uns sagen: «Die Zelle ist der heilige Boden und der Ort, wo sich der Herr und sein Diener häufig miteinander unterhalten wie jemand mit seinem Freund. Oft zieht dort das Wort Gottes die treue Seele an sich, der Bräutigam verbindet sich mit seiner Braut, Himmlisches wird dem Irdischen, Göttliches dem Menschlichen geeint.»
Ja, aber, wenn man an das Bild unserer Gesellschaft denkt, welche voll von Lärm, Bildern, Zerstreuungen ist, ist es da nicht schwierig für die Neuen sich an ein Leben so strikter Einsamkeit und Stille, wie das ihre, zu gewöhnen?
Normalerweise verlangt die Zelle der Novizin einen mehr oder weniger langen Prozess mühevoller Anpassung ab – ich würde es Entgiftung nennen - um die Stille in ihr Inneres einzuführen, die Fantasie, die Anhänglichkeiten und die Gefühle zu beruhigen, bis ihr ganzer Geist zur Ruhe kommt. Nun kann sich die Novizin auf das Eigentliche, die übernatürlichen Werte konzentrieren, welche definitiv die einzigen sind welche das tiefste Verlangen der Seele zu stillen vermögen.
Welche Ratschläge können sie einer jungen Anwärterin geben, die aus der Welt kommt und beginnt, ihr neues Leben als Eremitin in der Zelle zu leben, welches sich von ihrem bisherigen Leben völlig unterscheidet.
Zu allererst, dass sie ihr Vertrauen auf Jesus setzt. Wenn Er ihr diese Berufung geschenkt hat, so wird auch Er selbst, diese zu einem guten Ende bringen. Dass sie sich ebenso der Novizenmeisterin anvertraut, welche ihr mit Klugheit einen genauen Tagesablauf angeben wird, um ihre Tage in geordneter und nützlicher Weise zu verbringen; sie wird ihr auch beibringen gegen die Versuchungen der Entmutigung zu kämpfen, sich Stück für Stück an ein stilles Lauschen des Herzens zu gewöhnen und Gott in ihr Inneres eindringen zu lassen.
Ich nehme an, dass die Stundenpläne in der Kartause ein wenig seltsam sind... oder nicht?
Ein wenig originell, ja.
Um wie viel Uhr legt man sich Schlafen?
Zwischen 19. 30 und 20.00 Uhr. Im Sommer ist die Sonne noch nicht untergegangen wenn man zu Bett geht.
Um halb acht oder acht Uhr schlafen!... Und wann steht man auf?
Diesbezüglich kann es kleine Unterschiede von einem Kloster zum anderen geben, in der Regel stehen wir um 23.45 Uhr auf. Um diese Zeit ruft die Kirchturmglocke uns zum Gebet.
Das bedeutet, dass der Tag der Kartäuserin um dreiviertel zwölf Uhr abends beginnt?
Ja.
Und was machen die Schwestern um diese Uhrzeit?
Sie kleiden sich an und begeben sich ans Oratorium der Zelle. Sie knien sich hin und beginnen ihre Mission des Lobes indem sie die Matutin vom Uffizium der Heiligen Jungfrau Maria beten
Der Tag fängt gut an!
Eine Viertelstunde nach Mitternacht läutet die Glocke erneut und die ganze Gemeinschaft begibt sich auf den einsamen und schwach beleuchteten Kreuzgängen zur Kirche.
Und in der Kirche angekommen?
Bereitet man die liturgischen Bücher auf den Chorpulten vor, schaltet das Licht aus und tritt in eine tiefe Stille ein. Beim Signal beginnt man den Gesang der Matutin.
Was ist das eine ‘Matutin’?
Die Matutin oder ‘Nachtwache’ ist ein Teil unserer gemeinschaftlichen Liturgie in welchem sich Psalmen und Lesungen aus der Hl. Schrift, oder den Kirchenvätern abwechseln. Die Psalmodie ist gesetzt und meditativ. An Sonntagen und anderen wichtigen Festtagen, endet die Matutin mit der Lesung des Tagesevangeliums. An den übrigen Tagen schließt sie mit einer Reihe von Fürbitten für die Bedürfnisse der Kirche und der Welt.
Dem folgt das Uffizium der Laudes; es endet mit dem evangelischem Gesang des Benedictus, einer Antiphon zur Heiligen Jungfrau und dem Angelus (Engel des Herrn) der Nacht, welcher von leichten Glockenschlägen angezeigt wird.
Und dann kehrt man in die Zelle zurück um sich schlafen zu legen?
Nun, nicht ganz. In der Zelle angekommen beten wir die Laudes vom Uffizium der Heiligen Jungfrau. Danach begeben wir uns ohne Verzögerung zu Bett.
Wie spät ist es da?
Das hängt von der Dauer der Uffizien ab, welche von 2, bis zu 3 Stunden dauern können.
Und warum das alles?
Weil die Nacht, gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der Sensibilität der alten Mönche eine besonders günstige Zeit für die geistliche Sammlung und die Vereinigung mit Gott ist. Deswegen haben wir in der Kartause eine Vorliebe für diese Stunden des nächtlichen Lobes.
Gut, gut... Und um wie viel Uhr steht man morgens wieder auf?
Wir stehen so früh auf dass wir um 7 Uhr zur Prim bereit sind, auf welche eine Moment des persönlichen Gebets und die Konventmesse folgt.
Um wie viel Uhr ist die Messe?
Um 8 Uhr ruft uns die Glocke in der Kirche zur Eucharistiefeier. Diese Messe ist immer gesungen und dauert etwa eine Stunde.
Wenn die Messe aus ist...?
Von der Messe zurückgekehrt beten wir die Terz. Danach, bis zum Mittag, ist die Zeit aufgeteilt zwischen der ‘Lectio’, dem Studium und der Handarbeit.
Und am Mittag?
Am Mittag beten wir die Sext, welche vom Angelus gefolgt ist. Danach nehmen wir unser Mittagessen ein, alleine, ausgenommen Sonn- und Feiertage.
Und nach dem Mittagessen?
Nach dem Essen verfügen wir über ein bisschen Zeit zur Entspannung: Spaziergang oder leichte Arbeit im Garten, oder in der Zelle bleiben wo man ein wenig Hausarbeit machen kann... Dann beten wir die Non, auf welche - bis zur Vesper - Handarbeit folgt.
Variieren diese Zeitabläufe nie?
Doch, an den Sonn- und Feiertagen, denn da wird die Hore der Non in der Kirche gesungen. Danach begeben wir uns in den Kapitelsaal wo wir eine Lesung aus dem Evangelium oder den Statuten hören. Nach dem Kapitel findet eine gemeinschaftliche Rekreation statt.
Wie verbringt man den Nachmittag und das Ende des Tages?
Nachdem man die Non gebetet hat, bis 15 Minuten vor der Vesper, widmen wir unsere Zeit der Handarbeit. Das Uffizium der Vesper dauert eine halbe Stunde und setzt sich aus einem Hymnus, vier Psalmen und deren Antiphonen sowie einem Responsorium und dem Magnificat zusammen. Am Ende beten wir die Fürbitten und Singen die ‘Salve Regina’, mit einem Text und einer Melodie welche sich leicht vom römischen Ritus unterscheiden.
Die Zeit nach der Vesper ist geistlichen Übungen geweiht. Die Studierenden wechseln somit Studien und Spiritualität ab.
Um wie viel Uhr isst man zu Abend?
Das Abendessen, oder ‘Kollation’ an Fastentagen, nimmt man in der Regel um 18 Uhr ein.
Und was machen die Schwestern nach dem Abendessen?
Nach dem Abendessen, wie auch nach dem Mittagessen, bleibt ihnen ein wenig freie Zeit.
Wie schließt sich der Tag?
Um 19 Uhr läutet die Glocke den abendlichen Angelus. Die Schwestern können ihr Gebet oder ihre Lektüre während einer Stunde fortsetzen, aber es ist angemahnt das Schlafengehen nicht zu verzögern. Der Tag endet mit dem Gebet der ‘Komplet’, Uffizium in welchem man Gott für alle im Laufe des Tages empfangenen Gnaden dankt und um seinen Schutz für die kommende Nacht bittet. So ist also zwischen 19:30 Uhr und 20 Uhr unser Tag zu Ende gegangen, welchen wir in der Erwartung der Wiederkunft des Herrn gelebt haben.
Ich nehme an, dass ihre Tagesabläufe im Hinblick auf Euer liturgisches Leben festgelegt sind.
Exakt. Die Matutin um Mitternacht, die Konventmesse am Morgen, und die Vesper am Abend geben dem Tag seinen Rhythmus; diese Uffizien sind die wichtigsten Momente des Tages zu denen die Kartäuserinnen ihre Zellen verlassen um zur Kirche zu gehen.
Welchen Platz nimmt die Liturgie im Leben einer Kartäuserschwester ein?
Wenn man unsere Berufung betrachtet, welche darin besteht mit Christus und in Christus ein Lob Gottes des Vaters zu sein, durch unseren Dienst des Lobes und der Fürbitte, so ist die Eucharistie, welche jeden Morgen gefeiert und im Gregorianischen Choral von der Gemeinschaft gesungen wird, «die Wurzel und der Angelpunkt unseres Lebens»
Und das göttliche Uffizium?
Wenngleich die Kartäuserin einen guten Teil des göttlichen Uffiziums allein in der Zelle betet, so weiß sie doch, dass ihre Stimme keine individuelle, isolierte Stimme ist, welche sich in der Weite des Universums verliert, sondern, dass sie das Gebet Christi und der ganzen Kirche ist. Ja, in der Liturgie ist es Christus der als unser Haupt in uns betet, so dass wir in Ihm unsere Stimmen wieder erkennen und Seine in uns.
Jetzt würde ich ihnen, wenn sie erlauben, gerne noch eine elementare Frage stellen: Was ist das genau, die Kartause?
Ein gegen Ende des XI. (11.) Jahrhunderts geborener monastischer Orden, ein Weg der dem Evangelium folgt und mehr als neun Jahrhunderte durchlaufen hat.
Wer ist sein Gründer?
Ich würde eher von einem ‘Initiator‘ als von einem ‘Gründer‘ dieser Lebensform sprechen: das war der heilige Bruno, der um das Jahr 1030 in Köln geboren wurde. Er war Student, dann Kanoniker und Rektor der berühmten Kathedralenschule von Reims. Er zog sich mit sechs Gefährten in einem einsamen und verborgenen Winkel der Südfranzösischen Alpen zurück, dem Massiv der Chartreuse (Kartause), ca. 30 Km von Grenoble entfernt. Bis heute befindet sich das Haupthaus des Ordens an diesem Ort.
Warum sagen sie vom heiligen Bruno, dass er nicht der Gründer des Ordens sondern sein ‘Initiator’ war?
Weil der heilige Bruno in der Tat keinerlei monastische Regel geschrieben hat. Darüber hinaus blieb er nicht besonders lange in der Einsiedelei der Chartreuse. Von Papst Urban II, welcher in Reims sein Schüler gewesen war, gerufen, musste er sich nach Rom begeben und den Papst bei seiner Übersiedelung in den Süden Italiens begleiten. Urban II verstand das Charisma des heiligen Bruno, welcher zutiefst vom eremitischen Leben angezogen war und erlaubte ihm, sich von neuem an einem einsamen Ort in Calabrien zurückzuziehen, genau gesagt in Santa Maria della Torre. Dort gründete er zusammen mit mehreren Gefährten eine Einsiedelei welcher der, der Chartreuse ähnlich war. Er starb dort 1101. Seine Gebeine ruhen dort. Aber es war die erste Gründung der Kartause, in den französischen Alpen, welche seinem Geist treu blieb und, nach einigen Jahren, am Ursprung des monastischen Ordens der Kartäuser stand.
Und die Kartäuserinnen? Wer ist ihre Gründerin?
Auch wir Kartäuserinnen sind Kinder des heiligen Bruno.
Um 1145 entschloss sich eine weibliche monastische Gemeinschaft in Prebayon, im Süden Frankreichs, welche sich von der Lebensform der Kartäuser angezogen fühlte, die «Gebräuche» der Kartäusermönche zu übernehmen. Das Generalkapitel gewährte ihnen die Eingliederung in den Orden. Von da an, bis heute, stellt die Kartause eine einzige Familie dar welche sich aus einem männlichen und einem weiblichen Zweig zusammensetzt.